Plotten mit dem 7-Punkte-System
Jill Noll Autorin: Das 7-Punkte-System von Dan Wells (Bild-Quelle: Pixabay)

#4.2 Plotten: Das 7-Punkte-System von Dan Wells

In meinem letzten Blogpost ging es um die Schneeflockenmethode. Sie dient dazu, die Idee zu einem Buch auszuarbeiten und zu einem großen Ganzen werden zu lassen. In meinem heutigen Beitrag geht es um das Plotten einer Geschichte mit dem 7-Punkte-System von Dan Wells. Dieses System beschäftigt sich mit der Struktur eines Romans, was der Schneeflockenmethode auf diese Art und Weise leider fehlt.

 

Struktur? “Ich schreibe einfach drauf los, immerhin weiß ich ja, was passieren soll”, könnten einige von euch nun denken. Und genau so habe auch ich es gemacht, als ich mein Buch geschrieben habe. Zum Einen, weil ich Hilfestellungen für das Plotten, wie das 7-Punkte-System, erst deutlich später entdeckt habe, zum Anderen, weil es eben auch funktioniert, ohne irgendwelche Systeme zu kennen. Dennoch kann ein System für die Strukturierung eurer Geschichte von Vorteil sein.

 

Ganz einfach gesagt besteht eine Geschichte im Normalfall aus drei Abschnitten:

 

1. Akt: Einleitung – Hauptcharaktere und Hauptproblem werden eingeführt

2. Akt: Hauptteil – alles, was geschieht, um die Lösung für das Hauptproblem zu finden

3. Akt: Auflösung und Ende – die Auflösung des Hauptproblems

 

Das 7-Punkte-System von Dan Wells unterteilt den Hauptteil nochmal in weitere Punkte, was ich sehr nützlich finde, denn einfach zu sagen “hier im Hauptteil passiert alles zwischen Anfang und Ende”, ist doch eine ziemlich grobe Aussage.

 

Das 7-Punkte-System unterteilt sich in folgende Abschnitte:

 

1. Aufhänger – Einführung des Protagonisten und der Welt, in der er sich befindet

2. Erste Wendung – DAS Ereignis geschieht, die Welt verändert sich und Spannung wird aufgebaut

3. Erster Kniff – etwas geht schief und der Protagonist wird gezwungen, etwas zu unternehmen

4. Mittelpunkt – der Protagonist wird aktiv um etwas an der Situation zu ändern

5. Zweiter Kniff – wieder geht etwas schief, der Druck auf den Protagonisten steigt, die Situation erscheint aussichtslos

6. Zweite Wendung – der Protagonist findet eine überraschende Möglichkeit, doch noch etwas zu unternehmen

7. Auflösung – der Protagonist siegt über das Problem

 

Gerade die Auflösung kann je nach Genre sehr unterschiedlich ausfallen. In einer Dystopie z.B. würde vielleicht eher auch mal der Antagonist über den Protagonisten siegen, als anders herum. Schreibt ihr an einer Reihe, kann die Auflösung auch weitere oder neue Probleme mit sich bringen.

Möchte man seine Geschichte nun nach diesem System aufbauen, empfiehlt Dan Wells jedoch nicht die Punkte einfach von 1 bis 7 abzuarbeiten. Nein, er würde von hinten anfangen!

 

1. Beginne mit der Auflösung (Punkt 7)
Dan Wells beginnt beim Planen immer mit dem Ende seiner Geschichte. Wenn ihr das Ende kennt, könnt ihr alles andere in der Geschichte darauf ausrichten und kleine Geheimnisse und Rätsel einbauen. Außerdem wisst ihr so, worauf ihr hinarbeitet und verliert das Ziel nicht aus den Augen.

 

TIPP: Beginnt mit dem Ende.

 

2. Der Aufhänger (Punkt 1)
Nun wisst ihr also, worauf es am Ende hinauslaufen wird, also könnt ihr euch jetzt Gedanken über den Anfang machen. Dan Wells empfiehlt, den Anfang so zu entwerfen, dass er das Gegenteil der Auflösung darstellt.
Hier könnt ihr analysieren, wie euer Charakter am Ende eurer Geschichte erscheint. Ist er selbstbewusst und bereit für Neues, so sollte er zu Beginn genau das Gegenteil sein. Schüchtern und ängstlich.
So habt ihr auch gleich eine Grundlage für die Entwicklung des Charakters geschaffen.
Bei Dan Wells’ “Aufhänger” geht es noch NICHT um DAS Ereignis, das alles verändert. Wie ihr sicher wisst, gibt es aber durchaus Geschichten, die bereits mitten im Geschehen starten. Es ist also durchaus möglich, von dieser Struktur abzuweichen. Entscheidet selbst, welcher Anfang am besten zu eurer Geschichte und zu euch selbst passt.

 

3. Mittelpunkt (Punkt 4)
Als Nächstes empfiehlt Dan Wells, sich dem Mittelpunkt der Geschichte zuzuwenden. Bis jetzt hat der Protagonist lediglich reagiert. An diesem Punkt entscheidet der Protagonist sich jedoch, aktiv zu handeln, um etwas gegen das Problem zu unternehmen. Dieser Mittelpunkt stellt also nicht nur den Wendepunkt der Handlung, sondern auch der Charakterentwicklung dar. Der Leser will nun nicht nur wissen, wie die Geschichte weiter geht, er will auch wissen, welche Strapazen der Protagonist auf sich nimmt, um sein Ziel zu erreichen, und wie der Weg dorthin ihn verändert.
Der Mittelpunkt leitet das Ende ein und sollte, Überraschung, etwa in der Mitte des Buchs angesiedelt sein. ?

 

4. Erste Wendung (Punkt 2)
Mit der ersten Wendung bringt ihr die Geschichte vom Anfang zur ihrem Mittelpunkt. DAS Ereignis setzt alles in Gang, die Welt verändert sich und dem Protagonisten wird klar, dass etwas nicht stimmt, das sein Leben nie wieder so sein wird wie früher. Ihr merkt, dass ab diesem Punkt die Spannung aufgebaut wird.
Es muss natürlich nicht gleich ein Komet sein, der eine schreckliche Zerstörung der gesamten Erde zur Folge hat. Es kann auch einfach ein kleiner Brief von dem als tot geglaubten Vater sein, oder bloß der Blick einer Frau. Diese Ereignisse sind für die Welt vielleicht unbedeutend, können aber für den Protagonisten einiges verändern.
Macht euch zu diesem Zeitpunkt Gedanken darüber, wie ihr das Ereignis einführen wollt und auf welche Art und Weise es euren Protagonisten erreicht.

 

5. Zweite Wendung (Punkt 6)
Die zweite Wendung bringt euch vom Mittelpunkt der Geschichte zu ihrem Ende. Hier erhält der Protagonist irgendetwas was ihn dazu befähigt, am Ende gegen den Antagonisten zu siegen. Der in einem geheimen Buch versteckte Zauber, ein Tipp von einer mysteriösen Person, oder alles andere, was ihr euch einfallen lasst.
Aber achtet hierbei darauf, dass ihr euch nicht zu sehr auf “die Macht des Autors” verlasst. Wenn plötzlich irgendwas passiert, nur damit der Protagonist sein Ziel erreicht, könnte der Leser gelangweilt sein. Der Protagonist sollte selbst die Wendung bewirken. Er sollte es, so gut es geht, aus eigener Kraft und nicht nur durch “die helfende Hand des Autors” schaffen.
Je nach Genre könnte dies auch der unumstößliche Moment sein, der den Protagonisten unweigerlich auf den Abgrund zusteuern lässt.
Auf jeden Fall stellt dieser Moment einen Woah-Moment eures Romans dar. Er sollte den Leser überraschen, ihn packen und nicht wieder los lassen, bis er das Buch bis zum letzten Wort verschlungen hat.

 

TIPP: Verlasst euch nicht zu sehr auf “die helfende Hand des Autors”.

 

6. Erster Kniff (Punkt 3)
Beide Kniffe sind dazu da, den Druck auf den Protagonisten und somit die Spannung für den Leser zu erhöhen.
Möglicherweise hatte der Protagonist bisher vor, sich mit der veränderten Situation irgendwie zu arrangieren, aber der Kniff führt dazu, dass er es sich anders überlegt, und beginnt doch aktiv zu werden. Der Kniff bringt euch also zum Mittelpunkt eurer Geschichte.
Dieser Abschnitt wird oft für die Einführung des Antagonisten verwendet.

 

7. Zweiter Kniff (Punkt 5)
Der erste Kniff hat die Situation für den Protagonisten bereits verschlimmert. Der zweite Kniff soll alles nun noch schlimmer machen. Lasst die Situation für den Protagonisten hoffnungslos erscheinen. Auch durch diesen Kniff soll der Protagonist wieder zum Handeln gezwungen sein. Sein Plan geht nicht auf. Möglicherweise muss er sein Leben aufs Spiel setzen, um alles doch noch zu Guten zu wenden. Vielleicht sterben Nebenfiguren oder die Nebenfiguren lassen euren Protagonisten allein. Der Leser soll denken “oh nein, er wird es nicht schaffen, wie sollte er dagegen ankommen”. Dann seid ihr auf dem richtigen Weg. Es wird unfassbar spannend und kein Leser kann euer Buch mehr aus der Hand legen.
Je hoffnungsloser die Situation erscheint, umso überraschender wird eure zweite Wendung für den Leser sein, wenn euer Protagonist doch noch die Möglichkeit bekommt, sein Ziel zu erreichen.

 

Wie sieht es in meinem Buch “Zwischenwelt” aus?
Als ich mein Buch geschrieben habe, kannte ich das 7-Punkte-System noch nicht. Dennoch habe ich es geschrieben und nun analysiere ich mal, wie ich in meinem Buch vorgegangen bin.
Wie ist also mein Buch strukturiert …

Am Anfang meines Buchs “Zwischenwelt” werden Protagonist und Protagonistin vorgestellt und ich zeige, wer sie sind und wie sie sich in ihrem Umfeld bewegen. Das kann ich also als Aufhänger bezeichnen. (Punkt 1 – Aufhänger – Check)

Als Nächstes kommt dann auch schon DAS Ereignis, zeitgleich mit der Vorstellung des Antagonisten. Im selben Moment wird aber auch dem Protagonisten klar, dass er etwas unternehmen muss. Dennoch reagiert er in diesem Abschnitt vielmehr auf das Geschehene, als das er richtig aktiv wird. (Punkt 2 – erste Wendung – Check)

 

Kleiner Einschub zur Charakterentwicklung:
Mein Protagonist von Anfang an nicht der Typ, der einfach nur abwartet oder verschüchtert in der Ecke sitzt. Dementsprechend macht er nicht diese rieeeesige Entwicklung durch, die mittlerweile oft vom Hauptcharakter erwartet wird. Dennoch gibt es andere Gründe, weswegen er mit sich selbst hadert und in den nächsten Bänden (Zwischenwelt wird eine Reihe) kommt es durchaus zu Situationen, in denen er über seinen Schatten springen muss. Vielmehr macht ein anderer Charakter im ersten Buch eine größere Entwicklung durch, was durch meinen Protagonisten angetrieben wird.
Gerade wenn man eine Reihe schreibt, muss nicht alles im ersten Band passieren. Die Entwicklung des Hauptcharakters hat mehr Zeit, schreitet aber mit jedem Band ein wenig voran. Das kann man fantastisch in den Harry Potter Büchern beobachten. In jedem Band wächst Harry, bis er am Ende bereit ist, alles zu riskieren und den Kampf gegen Voldemort endgültig zu beenden.

 

Okay, zurück zu meinem Buch … mein Protagonist weiß also, dass er etwas tun muss, ihm ist nur nicht ganz klar wie. Und dann kommt auch bei mir mein erster Kniff, den man als zweiten Angriff des Antagonisten bezeichnen könnte. (Punkt 3 – erster Kniff – Check)

Dieses zweite (etwa in der Mitte meines Buchs gelegene ?) Ereignis macht meinen Protagonisten so wütend, dass er nun intensiver nach einem Weg sucht, wie er gegen den Antagonisten vorgehen könnte (hier wird er also aktiv). (Punkt 4 – Mittelpunkt – Check)

Mein Protagonist macht sich also auf den Weg irgendwie doch noch alles zum Guten zu wenden und findet tatsächlich einen Weg um den Antagonisten aufzuspüren.
Doch als er ihn fast gefunden hat, stellt sich ihm ein weiteres Problem in den Weg, die Situation wird also schlimmer als gedacht und scheint beinahe ausweglos (Punkt 5 – zweiter Kniff – Check)

Auch Punkt 6 – zweite Wendung, und natürlich Punkt 7 – das Ende, sind in meiner Geschichte vorhanden, mehr möchte ich dazu aber nicht sagen. Ich sage nur so viel: Alles ist anders als gedacht ?

 

Neben diesem Hauptstrang, den ich offensichtlich ganz unabsichtlich nach dem 7-Punkte-System strukturiert habe, habe ich weitere Nebenhandlungen in den Plot meiner Geschichte eingebaut. Mit ihnen wird die Situation noch einmal aus anderen Sichtweisen beleuchtet und natürlich bringen sie zusätzliche Spannung. Wenn ihr also eure Geschichte nach dem 7-Punkte-System aufbaut, bleibt euch dennoch jede Menge Platz für Spielereien.

Wie sind eure Geschichten strukturiert und welches System benutzt ihr zum Plotten? Nutzt ihr überhaupt eines? Ich bin gespannt zu hören, wie ihr vorgeht ?

In meinem nächsten Beitrag möchte ich euch davon erzählen, wie die Reaktion einer Freundin auf mein erstes Kapitel war und was ich daraus gelernt habe.

Blogpost Ende und bis bald! ✌

 

6 comments

  1. Bastian says:

    Viel Text für sieben Punkte. 😀

    Bevor ich auf die Punkte eingehe, ein kleiner Tipp an alle Autoren die sich gerade Gedanken darüber machen, mit dem ersten Buch zu beginnen: startet nicht mit einer Reihe! Macht zwei oder drei verschiedene Bücher fertig, bevor ihr mit einer großen Serie beginnt. Das hat viele Vorteile. Ihr könnt anschließend besser planen und vor allem auch besser schreiben. Ihr entwickelt euch durch das Feedback und eure Reihe wird mit Sicherheit viel besser.

    Nun zu den sieben Punkten: Das funktioniert hat leider nur, wenn man etwas schreibt, was man mit einem Abenteuer in Verbindung bringen kann. Das heißt, für sehr viele Romane sind diese Punkte leider nicht anwendbar, schon gar nicht so, wie sie hier aus definiert wurden. Auf mein erstes Buch zum Beispiel passt es sehr gut, beim zweiten wird es schon schwierig. Es gibt keinen wirklichen Antagonisten. Es gibt zwar auch Wendungen und eine Charakterentwicklung, aber anders. Und das Ende stand zwar fest, wurde aber dann noch massiv geändert, weil ich beim schreiben des letzten Kapitels noch DEN Einfall hatte.

    Der beste Tipp ist aber wirklich der, dass man das Ende vorher kennen sollte. Es ist weder für Leser noch für den Autor interessant, einfach ins Blaue zu schreiben.

    • Jill Noll says:

      Hi Bastian,

      da hast du recht, irgendwie ist es wieder länger geworden, als geplant 😀

      Ich gebe dir in allem Recht, was du anbringst. Egal ob das erste Buch eine Reihe, oder ein einzelner Band wird, sollte man möglichst vorher schon irgendwelche Texte geschrieben haben, weil Schreiben schlichtweg die beste Übung ist (Lesen ist dann die Zweitbeste 😉 ).

      Und ja, das System ist nicht auf alles anwendbar. Und muss auch nicht auf alles angewandt werden. Das bleibt ja zum Glück jedem selbst überlassen 🙂 Aber ich denke, für jemanden, der keine Ahnung hat, wie er vorgehen soll, könnte dieses System eine erste Herangehensweise darstellen.

  2. Sissi says:

    Für mich ist diese Art des Schreibens eher nichts. Also das System. Es bringt sicherlich ein wenig Hilfestellung beim schreiben der Geschichte aber ich, für mich persönlich fand die Schneeflocken Methode besser. Diese hier ist für mich eher nichts. Aber jeder soll die Methode anwenden die einen besser liegt. Oder man schreibt eben einfach drauf los…

  3. Ina Hamburg says:

    Hallo Jill,

    ich habe die Methode auch erst gefunden, als mein erstes Buch (noch nicht veröffentlicht) bereits fertig war. Hinterher habe ich aber ganz genau so wie du festgestellt, dass man alle Punkte der 7 Punkte Methode wiederfinden kann!

    Aber ehrlich gesagt, liegt das glaube ich daran, dass sie so grob gefasst sind, dass man sie in einem “normal” strukturierten Buch immer wiederfindet. (Sicherlich gibt es Ausnahmen und was ist schon normal!) Aber gerade im Bereich Fantasy gibt es ja doch für Gewöhnlich einen Bösewicht, etwas, das die Geschichte auslöst und irgendwann nach ein paar Wendungen etwas, das die Geschichte auflöst. Demnach lässt sich die 7-Punkte Methode in einem solchen Werk oft wiedererkennen.

    Wie meine Vorredner finde ich auch, dass jeder Autor sich selbst Gedanken darüber machen muss, ob er sein Buch nach dieser Methode aufbauen möchte oder eben nicht. Die Methode kann aber in jedem Fall eine tolle Möglichkeit sein, um Gedanken zu strukturieren.

    Ich finde sie aber auch geeignet, um hinterher das Manuskript zu bearbeiten. Manchmal merkt man nämlich erst dann, dass man erst im 5. Kapitel zum Auslöser kommt und merkt dann plötzlich, warum die Geschichte so schleppend läuft. Oder man merkt, dass die Auflösung bereits in der Mitte des Buches stattfindet und dann eigentlich eine neue Geschichte beginnt.

    Viele Grüße und viel Spaß noch mit allen Methoden! 🙂 Mögen sie dem Manuskript immer brav helfen.
    Ina

    • Jill Noll says:

      Hey Ina 🙂

      Mein Favorit ist auch immer noch die Schneeflockenmethode, um eine Geschichte zu planen – wobei ich eher selten überhaupt auf eine dieser Methoden zurückgreife. Oft formt sich eine Geschichte von ganz allein in meinem Kopf. Mit den Methoden prüfe ich eher, ob ich irgendetwas anders oder besser machen könnte.

      Genau so, wie du es gesagt hast. Die Methoden sind gut, um die Idee, den geplanten Plot, oder die Überarbeitung zu verbessern 🙂

      Liebe Grüße
      Jill

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